Die Unzufriedenheit mit der derzeitigen österreichischen Regierung und die negative politische Stimmungslage durch die Finanzmarktkrise ließen eine Protest- und Denkzettelwahl bei der gestrigen EU-Wahl erwarten. Das Ergebnis zeigt jedoch etwas anderes: Die ÖVP blieb mit 27,3% und verkraftbaren Stimmeneinbußen auf Platz 1. Die SPÖ schnitt wie bei den EU-Wahlen 2009 auch gestern mit 23,8% Stimmenanteil schlecht ab. Deutliche Stimmengewinne erzielte die FPÖ mit 19,5 % und die Grünen mit ihren bisher besten Ergebnis von 15 %. Die Neos erhielten 7,9% und damit einen Sitz im Europäischen Parlament. Die Wahl wurde weniger durch innenpolitische Unzufriedenheiten und mehr durch Europapolitik beeinflusst. Dies ergab nun die Wahlanalyse von Politologen Fritz Plasser und Franz Sommer. Plasser resümmiert das Wahlverhalten:
„Sektoral sind im Wahlergebnis und auch im Wahlverhalten und in den Motiven der Wähler und Wählerinnen Protest- und Denkzettelelemente auffindbar. Generell und überwiegend haben aber europapolitische Meinungen und auch Kandidaten und Personen-orientierte Momente eine weit wichtigere Rolle gespielt. Ich sage gleichzeitig, dass alles hätte ein wenig anders ausgesehen, hätten wir eine Wahlbeteiligung gestern gehabt wie bei der Nationalratswahl, weil dann deutlich mehr – nicht nur EU-kritische, sondern auch aus diesem Spektrum der unzufriedenen Nichtwähler gewesen wäre.
Am stärksten zeigte sich das Protestwählen noch bei der FPÖ: So war das meistgenannte Wahlmotiv (30%) für FPÖ-WählerInnen der Protest und die Unzufriedenheit mit der Regierung. Auch die Motive der NichtwählerInnen zielen in Richtung Unzufriedenheit, allerdings mit der EU: Jeder dritte Nichtwähler blieb der EU-Wahl fern mit der Begründung, dass sie sinnlos wäre und nichts ändere...