17 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher leiden unter Inkontinenz. Dennoch ist dieses Volksleiden ein Tabuthema. Ein Großteil der Betroffenen beansprucht aus Scham keine medizinische Hilfe und leidet im Stillen. Unter den über 75jährigen leidet gar ein Drittel der Menschen an Blasen- oder Darmschwäche. Aufgrund der Bevölkerungsentwicklung wird sich das Problem dramatisch zuspitzen, berichtet der Soziologe Franz Kolland von der Universität Wien:
„Wir haben jetzt unmittelbar die demographische Herausforderung des ersten Baby Booms 1939 bis 1941. Wir haben 1939 die größte Zahl an Lebendgeburten überhaupt in den letzten 100 Jahren gehabt. Die sind jetzt ungefähr 75 Jahre plus, kommen also ins höhere Alter. Heute haben wir etwa 24.000 Menschen im Alter 80 plus. Im Jahr 2075 werden wir drei mal so viele haben. Das heißt: Auch das Problem wird sich verdreifachen.“
Nur etwa ein Drittel der Betroffenen spricht über ihre Krankheit. Patienten empfinden Inkontinenz als persönlichen Makel. Falsche Scham führe sehr häufig zu sozialem Rückzug, berichten Ärzte. Michael Rutkowski kennt als Urologe die Probleme und Sorgen seiner Patienten:
„Ihre Angst ist immer, dass die soziale Komponente Überhand nimmt, dass sie sich nicht mehr hinaus trauen. Oft hört man so Sachen wie: ‚Ich geh ja schon gar nicht mehr zum Wirten. Ich kann nicht mehr hin, weil ich muss ja alle fünf Minuten aufstehen.‘ Oder: Wenn man plötzlich nass ist beim Aufstehen und die Stoffbank dann einen Fleck hat, dann geht man die nächsten Monate gar nicht mehr aus dem Haus. Das sind die Ängste der Patienten.“
Die Ärzte haben aber auch eine gute Nachricht: ‚Für jede Form von Inkontinenz gibt es Hilfe, Linderung und oft Heilung‘, so Max Wunderlich, Vorsitzender der Medizinischen Kontinenz Gesellschaft Österreich...